Fünf Jahre lang war die Canon 6D Begleiterin tausender Profifotografen – obwohl sie dafür nie gedacht war. Und so war auch von Anfang an das Gemecker groß: Zu schlechter Fokus, unbrauchbarer LiveView oder ein Videomodus, der seinen Namen nicht verdient – alles klassische Kritikpunkte. Und um es vorweg zu nehmen: Auf eben diese Punkte hat Canon vorbildlich reagiert, der Canon 6D Mark II Test zeigt: Es gibt vermutlich keine Kamera im aktuellen Vollformat-Lineup der versammelten Hersteller, die sich so schnell und einfach bedienen lässt.
Einen großen Teil dazu bei trägt der dreh- und schwenkbare Touch-Monitor, der endlich seinen Einzug ins Vollformat feiert. Natürlich wird er von Canons Dual-Pixel AF begleitet und macht so aus der 6D auf Wunsch eine – Verzeihung – spiegellose Kamera mit einem pfeilschnellen Autofokus und optionaler Serienbildfunktion bei kontinuierlicher Nachführung. Das beste daran: Der Spiegel klappt beim Auslösen nicht herunter, es gibt keinen Blackout durch den Verschluss – eine geniale Neuerung. Der Fokus über das Touchdisplay tut sein übriges – so einfach war es noch nie, aus ungewöhnlichen Perspektiven zu fotografieren. Chapeau, Canon!
Auch bei klassischen DSLR-Tugenden zeigt Canon Erfahrung und bringt mit dem Fokus der 80D zwar ein kleines, aber leistungsstarkes Modul in der 6D unter. Der Fokus ist auch bei Serienbildern schnell und treffsicher, mit 6,5 Bildern pro Sekunde liegt das Einsteigermodell fast auf 5D Mark IV-Niveau (7 Bilder/Sekunde). Nur der Speicherkartenslot bremst die Shootinglust ein wenig, wer JPEG und RAW gleichzeitig speichert, rennt schnell in den Buffer. Ein zweiter Speicherkartenslot fehlt leider. Bleiben wir aber noch kurz bei den Äußerlichkeiten: Der Sucher gibt zwar nur 98 Prozent wieder, ist aber sehr hell und macht das Ablesen wichtiger Infos leicht.
Genug von der Bedienung, rein in den Fototest auf dem Teufelsberg in Berlin. Das Herzstück der Canon EOS 6D Mark II ist ein neu entwickelter 26-Megapixel-Sensor – der im Test mit Vorteilen, aber auch einem gravierenden Nachteil auffiel: „Sein hoher Dynamikumfang ermöglicht einen großzügigen Belichtungsspielraum – was bei kontrastreichen Aufnahmesituationen vorteilhaft ist“, so heißt es in Canons Pressemitteilung. Die Realität sieht aber aktuell noch anders aus: Schon bei mittlerem Kontrast wie die Kombination Himmel und Landschaft gehen schnell Details in den Wolken verloren und sorgen für ausgebrannte Stellen in der Nachbearbeitung. Einfach dunkler belichten? Geht schon, nur erntet man beim Hochziehen der Tiefen ein sattes Farbrauschen. Verwunderlich ist, dass es bei Canon schon seit Jahren besser geht – 1DX Mark II und 5D IV sind viel weiter, aber auch die RAW-Dateien der schon leicht angegrauten 7D Mark II sahen zumindest ebenbürtig aus. Auch Canons neue 200D, die wir ebenfalls testen konnten, liegt vorne.
Es gibt aber Hoffnung: Ein Software-Update könnte Verbesserung schaffen, Insider sprechen hinter vorgehaltener Hand von einem Bug. Wir bleiben daher gespannt – denn falls das Update kommt, ist der Sensor ein echter Knaller. Es gibt ja auch positives zu berichten: Die ISO-Performance zum Beispiel ist insbesondere für die Preisklasse sehr gut. Bis ISO 3200 ist Bildrauschen kaum sichtbar, darüber beginnt aber der eigentliche Spaß: Reportagefotografen freuen sich über eine geringe und gleichmäßige Zunahme des Rauschens bis ISO 102.400 – ja, die höchste ISO-Stufe liefert immer noch Bilder, die für Smartphone-Displays oder Tageszeitungen brauchbar sind. Nicht jedes Bild endet schließlich als Gallery-Print. Feine Details und Farbabstufungen bieten die Fotos bis etwa ISO 25.600. Damit hat man in der 6D wirklich einen verlässlichen Partner für Unterwegs.
Für diesen Zweck ist die Kamera übrigens gegen Staub- und Spritzwasser geschützt und bietet alles an Connectivity-Möglichkeiten – GPS, Bluetooth, NFC und WLAN sind an Bord und machen mit der sehr ausgereiften App das mobile Teilen von Fotos einfach wie selten zuvor. Insbesondere für Journalisten ist die 6D damit interessant, wenn sie nur fotografieren. Video ist nämlich keine Stärke der Kamera, und das liegt nicht am fehlenden 4K. Seien wir ehrlich, kein TV-Sender kann 4K senden, kaum ein Konsument hat einen passenden Monitor oder Fernseher und die Rechenleistung, um 4K zu schneiden und zu bearbeiten haben auch die wenigsten. Was die 6D tatsächlich disqualifiziert ist der fehlende Kopfhörer-Eingang – sehr schade, da Videografen so ihren Ton erst zu Hause kontrollieren können, oder besser gleich zu einer anderen Kamera greifen. Dabei bringt die EOS alles mit, was eine geniale Videokamera bräuchte: Vollformat, drehbares Display, flotter Fokus, digitaler Bildstabi, 60fps und HDR sind an Bord. Warum also lässt man ein Centbauteil weg? Liebe Entwickler bei Canon, wäre es vielleicht möglich, über Bluetooth Kopfhörer zu verbinden? Das klingt innovativ und könnte per Software-Update eingepflegt werden. Dann wäre die 6D auch eine geniale Alternative für Videografen.
Meine Meinung:
Canons neuester Spross ist ein Spaßmacher und Begleiter für alle Fälle. Perfekte Bedienung, Ergonomie und Menüführung unterstützen beim Fotografieren ungemein – Canon ist hier ganz weit vorne. Um so mehr ärgern die kleinen unnötigen angesprochenen Makel. Mit ein paar Software-Optimierungen wäre vieles getan, Fotografen können wir die 6D aber schon heute ausdrücklich empfehlen. Als Kamera für alle Fälle ist die 6D eine ausgezeichnete Wahl.
Hier gibt es mehr Infos zur Kamera
Achja, da war ja auch noch die 200D!
Klein, aber oho!
Mit der Canon 200D hatten wir in Berlin auch das neue Einsteigermodell in der Hand – eine Bezeichnung, die diese Kamera nicht verdient. Mit dem Sensor der 80D und einem rasend schnell reagierenden dreh- und schwenkbaren Touchscreen inklusive Dual-Pixel-AF ist die 200D ein echter Hammer – und das für einen extrem fairen Preis.
Alternative: Die Canon EOS 6D Mark II, die wir hier im Test hatten, hat eine spiegellose Version bekommen: die EOS RP. Eine spannende Alternative! Hier gibt es mehr Infos.